Langsam kam das Flugzeug der „Norwegian Air“ auf dem Rollfeld zum Stehen. Es war gerade mal fünf Uhr Nachmittag und stockdunkel. Die Flugzeugtüren öffneten sich und ich bekam einen Vorgeschmack auf das, was mich in den nächsten Tagen erwarten sollte: unbarmherzige Kälte.
Auf dem Weg zur Unterkunft sagte der Fahrer, dass es erst seit ungefähr zwei Wochen untertags wieder hell wird. „Im Dezember war es den ganzen Tag dunkel, das war schon deprimierend.“ Das war also die berühmt-berüchtigte Polarnacht.
Der Kälte getrotzt
Nach einer kalten Nacht bei Außentemperaturen von -25 Grad war ich am nächsten Tag voller Vorfreude und Enthusiasmus über den Grund meiner Reise: dem alljährlich stattfindenden Schneefestival. Hier schufteten Künstler aus allen Teilen der Welt tagelang, um wunderschöne Figuren aus Schnee zu schnitzen.
Keine Ahnung, welcher Teufel mich geritten hat, aber ich beschloss, den Weg zum Ausstellungsplatz der Skulpturen zu Fuß zurückzulegen. Dank „Zwiebellook“ mit zwei Paar Hosen und Thermosohlen in den Winterstiefeln habe ich den dreißigminütigen Fußmarsch durch hohe Schneewehen gut überstanden. Meine Brille war vom Atem angefroren und ich konnte ausschließlich Umrisse erkennen. Aber ich merkte, dass in Kiruna um einiges mehr abging als nur eine Ausstellung von Schneeskulpturen.
Das Schneefestival, das es schon seit 1986 gibt, ist ein Treffpunkt für Jung und Alt. Zwischen den Figuren standen Tipis, die auch schon von den Ureinwohnern (den Samen) bei Wanderungen als Unterschlupf gedient haben. In den Zelten wurde Essen serviert oder man konnte sich auch einfach nur bei einem Getränk etwas Aufwärmen. Das klappte auch draußen relativ gut, immerhin standen überall Feuerkörbe und Kaffee wurde am offenen Feuer frisch aufgebrüht.


Das in den drei Festivaltagen besonderes Augenmerk auf die Kinder gelegt wird, ist mir sofort aufgefallen. Für die Kleinen wurde ein Eishockeyplatz angelegt, der fleißig genutzt wurde. Die weniger Sportbegeisterten konnten sich auf einer Eisrutsche in Form eines Drachens austoben oder ihr Glück beim Eisfischen versuchen. Hier bissen aber keine echten Fische – als Belohnung konnten die Kids Haribo Gummibärli aus dem künstlichen Teich ziehen. Da kommt einem sofort die Werbung in den Sinn: Haribo macht Kinder froh und Erwachsene ebenso. In Kiruna stimmte das auf jeden Fall.


Eines der Highlights war das Rentierrennen. Es ging in einem abgesperrten Bereich gleich neben den Skulpturen über die Bühne. Dabei wurden die Teilnehmer von Rentieren über eine relativ kurze Strecke gezogen. Es sah lustig aus, aber ich nehme an, von einem 300 Kilo schweren Tier umhergezogen zu werden und dabei ständig zu hoffen, dass sich der Kollege an die Spielregeln hält und auch wieder stehen bleibt – das erfordert Mut.
Umso außergewöhnlicher ist es, dass eine absolute Anfängerin gewonnen hat. Petra Palo Huuva heißt die Frau der Stunde. Sie ist für ihre Firma „Van And Pickup Equipment“ angetreten und war noch komplett außer Atem, als sie mit mir sprach. Huuva bestätigte meine Vermutung, dass es eine sehr rasante Fahrt war, die man mit den Tieren macht. Ob sie nächstes Jahr wieder mitmachen wird? „Es ist wohl besser, mit einem Sieg aufzuhören auf dem Höhepunkt der Karriere“, meinte sie mit einem Lächeln.
Da waren die Gewinner des Skulpturenwettbewerbs schon ambitionierter. Der Publikumspreis ging an ein Duo aus Italien, das ein sehr bekannte Motiv gewählt hat. „Masks“ zeigt eine lächelnde und eine traurige Theatermaske. Das hat Pietro Germano und Federica Cavallin ein Preisgeld von insgesamt 10.000 schwedischen Kronen (umgerechnet ungefähr 880,00 Euro) eingebracht. Auf Nachfrage bestätigen beide, dass sie nächsten Jahr wieder mit von der Partie sein werden. Die Fachjury entschied sich für das Kunstwerk „Mediterreanean´s Adrift“ von Joan Pradell und Valentina Marotta, beide ebenfalls aus dem Land der Pizza und Pasta.


Mein Fazit nach knapp acht Stunden bei Schneefall in der Kälte: Es war es wert. Das sage ich nicht nur, weil ich trotz Kälte alle Zehen behalten habe. Die Stimmung in der Stadt über den nördlichen Polarkreis kann man nur schwer wiedergeben. Das Anfeuern der Rentiere beim Rennen, das Jubeln der Gewinner beim Skulpturenwettbewerb, der teils mitleidige und belustigte Gesichtsausdruck des Einheimischen, als ich mir nach Stunden endlich eine Tasse Kaffee geholt habe. (Ich hatte eine rote Nase, während der Rest meines Gesichtes leicht bläulich verfärbt war.) All das sollte man einmal erlebt haben. Kleiner Spoiler: Mein Tag in der Kälte war noch nicht vorbei. Es ging am Abend weiter mit nächtlichem Hundeschlitten fahren. Aber das ist Stoff für eine andere Geschichte.
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Quellen:
Robert Gustafsson, Vertreter des Kiruna Snow Festivals
Interviews mit Petra Palo Huuva und Pietro Germano und Federica Cavallini vor Ort
Homepage des Kiruna Snowfestivals
Fotos und Videos: Ingrid Müller
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