Am 8. Juni 2024 zeigten die Wiener Farbe – auf die ein oder andere Weise. Während die einen ihre Regenbogenflaggen raussuchen, versuchten andere, möglichst viele Menschen für die Gegendemo zur Wiener Regenbogenparade zu mobilisieren. Letzteres lief allerdings anders ab als geplant.
Was war das für eine Hitze! Es war fast so, als hätte jemand den Thermostat hochgedreht, um möglichst viele Leute oben ohne zu sehen. Es hat geklappt. Bei den mehr als 300.000 Menschen, die sich bei strahlendem Sonnenschein mittag am Wiener Ring getroffen haben, waren einige – mal salopp ausgedrückt – sehr leicht bekleidet. Auch die gefühlten 35 Grad hielten die Community nicht auf, ausgelassen zu tanzen und zu feiern.


Wien ist bunt
Unter dem Motto „Pride is a demonstration“ fanden sich viele Mitglieder der LGTBQIA+ Community, Allies und auch einige Neugierige vorab im Pride-Village am Rathausplatz ein. Dieses „Dorf“ bestand hauptsächlich aus Zelten in denen Bars, aber auch Shops und Beratungsstellen untergebracht waren. Die Hauptattraktion waren jedoch die Paradiesvögel, die das Pride-Dorf entlang flanierten. So kam es vor, dass man beim Schlange stehen am Foodtruck hinter einer gut gebauten Dame mit Federschmuck stand. Spätestens bei ihrer Bestellung mit tiefer Stimme outete sich die Schönheit jedoch Drag Queen. Manche Kostüme zeigten viel mehr als sie verhüllten und ich muss zugeben, bei manchen Paradenteilnehmern habe ich gleich zweimal hingesehen.

Während einige der Teilnehmer versuchten, der Hitze mittels eines Fächers zu trotzen, nahmen andere das Angebot der Wiener Stadtwerke an. Ein schönes Glas kaltes Leitungswasser. Besucher, die etwas mit mehr Pep wollten, wurden an einer der vielen Bars im Pride-Village fündig. Wie bei fast allen Festivals gab es auch hier Foodtrucks, die exotischen Spezialitäten (Onigiri und Curry Pan) oder Klassiker (Currywurst etc.) im Angebot hatten.
Bei der Regenbogenparade hieß es: Auffallen!
Wieder im Getümmel bestätigte sich mein erster Eindruck, als sich die Besucher für das Highlight des Pride Months aufstellten: Die Regenbogenparade. Je krasser das Kostüm, je auffälliger die Farben und je knapper der Stoff, desto besser. Es gab aber einige Besucher, die auf andere Weise auffallen wollten. So lief zwischen Drag Queens, Männern mit nackter Kehrseite und Besuchern mit Bodypainting ein rosa Einhorn rum.


Georg, so der Name des pinken Exoten, ist ein 35-jähriger Psychotherapiestudent und hat leider bereits Erfahrung mit Hass auf Menschen in der Community gemacht. Der gebürtige Wiener erzählt, dass man schon schräg angesehen wird, wenn man nur auf offener Straße Händchen hält. Daher ist trotz Fortschritten bei der Gleichstellung (Adoptionsrecht, Ehe für Alle) der Pride Month nach wie vor notwendig. Eine 23-jährige Wienerin merkt an, dass „ gesetzliche Veränderungen, Save Spaces und Aufklärung in Schulen als auf öffentlichen Plätzen“ dringend nötig sei. Die Pride sei aber ein Schritt in die richtige Richtung.

Während sich die Wiener Regenbogenparade vom Rathausplatz aus in Bewegung setzt, formiert sich gleichzeitig am Stephansplatz eine weitere Gruppe. Allerdings handelt es sich nicht Gegendemonstranten, wie mir einige junge Teilnehmer mit Trillerpfeifen und Plakaten erklären.
Es gab eine Gegen-Gegendemo!
Die lautstark Protestierenden sind die „Gegen-Gegendemo“. Ja, das gibt es auch. „Traditionell startet die Gegendemo von hier bis zum Heldenplatz und wir als Unterstützer der Regenbogenparade waren einfach schneller. Wir haben für diesen Platz eine Demo angemeldet, bevor die Gegendemonstranten die Chance dazu hatten“, erklärt der 27-jährige Aktivist, der anonym bleiben möchte. Ein leichtes Siegesschmunzeln kann er sich nicht verkneifen.


Die Regenbogenparade läutet das Ende eines ganzen Monats ein, dass die Schwierigkeiten der LGTBQIA+ Community ans Licht der Öffentlichkeit rückt. Den ganzen Juni über wird viel geboten: Kinderbuchlesungen von Dragqueens, Comedyshows, queere Karaoke Nights, aber auch Frauenspaziergänge zum Thema „Lesbisches Wien“ waren dabei. Falls man es beim Vienna Pride Brunch etwas übertrieben hat: Eine spezielle Yogasession könnte da helfen.
HOSI hat alles organisiert.
Der Rathausplatz ist gefüllt mit Zuschauern, als gegen vier Uhr nachmittags die Regenbogenparade ihre Runde die Ringstraße entlang beendet hat. Es ist das Finale der lautstarken Veranstaltung, die von der Wiener Initiative HOSI organisiert wurde. Die Initiative versucht seit der Gründung 1979 den Mitgliedern der LGTBQIA+ Community eine Stimme zu geben. Das sind immerhin rund 900.000 Österreicher, für deren Rechte HOSI kämpft. Ein ernster Hintergrund, der mit Pailletten, Federboas und lauter Musik etwas übertüncht wird.

Genau das ist einer der Kritikpunkte: Das Festival sei zu sehr kommerzialisiert worden, man habe den Blick für das Wesentliche verloren. Seit der ersten Regenbogenparade im Juni 1996 sind die Besucherzahlen von 25.000 Besuchern kontinuierlich gestiegen, auf zuletzt 340.000 Teilnehmern im Jahr 2024. Es wird aber auch kräftig die Werbetrommel gerührt, um die Regenbogenparade und den Pridemonth noch bekannter zu machen.
Ist die Pride „zu populär“?
All die Werbung führt zum nächsten Streitpunkt: Pride ist manchen Leuten schon „zu populär“. Einige Jugendliche erklärten, man höre nur noch „Pride“, während andere wichtige Belange in Vergessenheit gerieten. „Fast niemand weiß, dass der Juni auch für die psychische Gesundheit der Männer steht“, sagt ein 17-jähriger Passant dazu.
Auch wenn die Parade am späten Nachmittag beendet ist, die Vienna Pride geht noch weiter: Zurück am Pride-Village wurden Ansprachen von Aktivisten und Politikern gehalten und dann begann mit der Pride-Night ein weiteres Highlight für viele Besucher. Ausgelassen feiern zu wummernden Beats. So gern ich dabei gewesen wäre, ich musste einen Zug erwischen. Für nächstes Jahr habe ich mir aber jetzt schon eine Erinnerung erstellt.
See you in 2025, Vienna Pride.
Quellen:
Vienna Pride Homepage (https://viennapride.at/)
HOSI Homepage (https://www.hosiwien.at/
Interviews mit Besuchern der Pride
Copyright Bilder:
Titelbild, Bilder 1, 2, 3, 4, 5, 6, 7, 8 und 9 Ingrid Müller
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