Tafel Tony´s Chocolonely

Was so alles hinter einer Tafel Schokolade stecken kann…

Amsterdam ist bekannt für einiges: Tulpen, Käse, Coffeeshops, Prostitution … aber Schokolade?

Menschen stehen Schlange für so einiges. Um Tickets zu kaufen, um auf sich was zu Essen zu holen oder auch um bei den Ersten zu sein, wenn ein neues Produkt rauskommt. In Amsterdam stehen die Leute Schlange, um sich ihre eigene Schokolade zusammen zu stellen. Ist der Hype berechtigt?

Tony´s wurde von einem Journalisten gegründet.

Tony´s Chocoloney hat eine ungewöhnliche Entstehungsgeschichte. Der Investigativreporter Teun (Tony) van de Keuken war an einer Story über Sklaverei in der Schokoladenindustrie dran. Bei seiner Recherche stellte er fest, dass der Großteil der Supermarktschokolade von Sklaven geerntet wurde. Schlimmer noch: von Kindersklaven. Er konnte diese Tatsache nicht ignorieren, er musste aktiv etwas dagegen unternehmen. In seiner Entrüstung, durch den Konsum von Schokolade selbst Teil des Problems zu sein, machte er eine Selbstanzeige. Als diese im Sand verlief, kündigte er kurzerhand seinen Job. Im Bestreben, eine Veränderung zu bewirken, stellte Tony am 29. November 2005 die ersten 5000 Fairtrade Schokoladentafeln her: Das war die Geburtsstunde von Tony´s Chocolonely.

Ungleichheit ist auch auf der Schokoladentafel ersichtlich.

Öffnet man die Packung der Schokolade, staunt man erst mal: Sie ist weder quadratisch noch in rechteckige Stücke eingeteilt. Dahinter steckt schon ein fast philosophischer Gedanke: Warum sollte man eine Schokolade in gleichmäßige Stücke einteilen, wenn es in der Industrie so viel Ungleichheit gibt? Die Stücke sind dennoch nicht willkürlich so aufgeteilt: Der untere Rand der Tafel symbolisiert die afrikanische Westküste. Die darüberliegenden Stücke repräsentieren von der Form her den Golf von Guinea und unter anderem die Länder Ghana, Togo und Nigeria. 

Der Laden von Tony´s Chocolonely öffnet um zehn Uhr vormittags und wenn man nicht schon um halb zehn da ist, steht man lange an. Im Shop kann man sich ein kurzes Video ansehen, dass die Entstehungsgeschichte und die Ziele der Schokolade erklärt. Und das ist eine Gute Idee, wie eine kurze Befragung über die Gründe für den Besuch bei den Wartenden aufzeigte: Eliza aus Vancouver stand an, da Tony´s auf Instagram und TikTok sehr gehypt wird, während Juan aus Argentinien und Ella aus England mehr wegen des guten Geschmackes anstehen. Von den Wartenden wussten die wenigsten, welche Botschaft genau hinter der Marke steckt. 

Juan kam aus Argentinien um Tony´s auszuprobieren. Der junge Mann mit mittelbraunen, kurzen Haaren und weißem Kapuzenpulli steht vor einer Bricksteinwand. Er hat eine schwarze Jacke an und eine dunkle Umhängetasche.
Juan aus Südamerika ist begeistert vom Geschmack der Schokolade

Schwieriger Start der neuen Schokomarke

Der Start in die Schokoladenindustrie war etwas holprig. Das Unternehmen wurde 2007 vom niederländischen Importeur Belissimo wegen der Verwendung des Begriffes „Sklavenfrei“ verklagt. Van de Keuken wies durch das Fair-Trade-Label Max Havelaar und eigene Untersuchungen in Afrika nach, dass es bei der Herstellung seiner Schokolade keine Sklavenarbeit gibt. Die Klage wurde abgewiesen. Drei Jahre später berichtete die niederländische TV-Show „Een Vandaag“, dass bei der Haselnussernte in der Türkei Kinder mitgeholfen hätten. Daraufhin wechselte der Schokoladenhersteller zu einem neuen Zulieferer. 

Das Highlight im Laden in Amsterdam – und der Grund für die lange Schlange: Man kann seine eigene Schokoladensorte zusammenstellen – Inklusive selbst designter Verpackung und Widmung. Die individuelle Schokolade ist nach zwei Stunden fertig und abholbereit. Das beliebte Mitbringsel ist automatisch in zwei Hälften geteilt: Schließlich ist geteilte Freude doppelte Freude.

Die niederländische Schokolade wurde von der „Slave Free Chocolates“ Liste gestrichen.

Die Freude vergangen sein dürfte Tony´s Chocolonely allerdings, als das Unternehmen 2021 von der Liste der US-amerikanischen Organisation „Slave Free Chocolatesgestrichen wurde. Laut einem Bericht von RTL arbeitet das Unternehmen seit Jahren mit Barry Callebaut zusammen. Callebaut ist einer der größten Kakaoverarbeiter der Welt und gibt an, dass in deren Zuliefererkette Kinderarbeit gäbe.

Henk Jan Beltman, CEO von Tony´s Chocolonely, will die Zusammenarbeit allerdings nicht beenden. „Wenn wir die Tafeln selbst machen, könnten große Schokoladenunternehmen sagen, dass es unmöglich war, nach unseren Prinzipien in großem Maßstab zu arbeiten.“ Beltman, der auch Hauptaktionär bei Tony´s ist, meinte, sie „wollen die großen Jungs in der Kakaoindustrie zum Wandel ermutigen“.

Der Plan ist anscheinend aufgegangen

Ein Vorhaben, das geklappt hat: Barry Callebaut hat sich mit seinem „Forever Chocolate“ Projekt das Ziel gesteckt, unter anderem auch die Kinderarbeit aus ihrer Zuliefererkette bis 2025 zu eliminieren

Trotz der kontroversen Zusammenarbeit mit Barry Callebaut gewann das Unternehmen 2022 den „Stop Slavery Enterprise Award“ der Thomson Reuter Foundation. Im selben Jahr begann das Unternehmen eine Cooperation mit dem Sporthersteller Adidas, der neben dem Sportschuh „Tenis Superstar Tony´s Chocolonely“ auch eine „Adilette“ (einen Badeschuh) mit dem Logo des niederländischen Schokoladenherstellers in Brasilien herausbrachte. 

Nicole ist seit 2 Wochen bei Tony´s Chocolonely beschäftigt
Nicole hilft Ihnen gerne bei der Auswahl der Sorten 

Kein Lila mehr für Tony´s

Tony´s Chocolonely ist bekannt für das farbenfrohe Design. Laut einem Urteil vom Februar 2024 steht die lila Verpackung allerdings in der EU nicht mehr zur Wahl. Der US Lebensmittelkonzern Mondelez (bekannt für Milka) hat dem Schokoladenhersteller wegen Verwechslungsgefahr die Verwendung der Farbe Lila bei der Verpackung und auch in der Werbung gerichtlich untersagt.

Auf ihrer Website äußerte sich Tony´s Chocolonely folgendermaßen dazu: „Statt teure Anwälte zu bezahlen […] sollten wir darüber reden, wie jeder Schokoladenhersteller den Kakaobauern einen Preis zahlen kann, der ihnen ein existenzsicherndes Einkommen ermöglicht“.

https://de.tonyschocolonely.com/


Quellen:
Tony´s Chocolate
Zeitung: Trouw vom 06. Februar 2007
RTL Artikel vom 15 Februar 2021 (rtl.nl)
Barry Callebaut Fortschriftsbericht Forever Chocolate
Thomas Reuter Foundation
Adidas Brasil Website“Tenis Superstar Tony´s Chocolonely“
FAZ vom 24.02.2024
Beschluss Landgericht Hamburg vom 22. Februar 2024 (Aktenzeichen 315 O 30/24)

Copyright zu Bildern  Ingrid Müller

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