Beltane Festival in 2025

Feuer, Halbnackte und eine Königin – Willkommen beim Beltane Festival

Wie aus dem Nichts kommen sie auf mich zu. Eine ganze Meute, komplett in Rot und fast nackt. Ein etwas stämmigerer Mann aus der Gruppe mustert mich von oben bis unten, knurrt mich verächtlich an und verschwindet wieder in der Menge. Aus dem Augenwinkel sehe ich eine Gruppe leuchtender Füchse mit dem Publikum tanzen. Als sich die Dunkelheit langsam über Edinburgh ausbreitet, beginnen zwei Männer einen flammenden Schwertkampf. Willkommen beim Beltane Festival!

Die schottische Stadt ist mit seinen ungefähr 500.000 Einwohnern ziemlich beschaulich. Diesen Eindruck hatte ich bereits bei meinem ersten Besuch letztes Jahr. Die Angestellten in den Geschäften nehmen sich Zeit für ein kleines Schwätzchen und auf ein „Good Morning“ kommt immer ein fröhliches „Hey yáll“ zurück (ja, der schottische Akzent ist eine Sache für sich). Eben weil Edinburgh diesen Kleinstadt-Charme vermittelt, wollte ich mir das Beltane Festival nicht entgehen lassen. Und ich war nicht die einzige. 

Beltane bedeutet so viel wie „Helles Feuer“. Bei diesem Jahrtausende alten, keltischen Ritual soll der Winter vertrieben und der Sommer willkommen geheißen werden. Feuer spielt dabei eine zentrale Rolle. Immerhin wird es von vielen Völkern als Werkzeug der Reinigung und auch der Heilung angesehen. Die Wurzeln von Beltane liegen in der Eisenzeit, also vor mehr als 2800 Jahren. Es ist natürlich fast unmöglich zu sagen, wie es damals abgelaufen ist, aber in jüngerer Geschichte war es so: Zuerst wurden die Feuer in den Öfen der Familien gelöscht und anschließend ein großes in der Dorfmitte gemacht. Mithilfe dieses gemeinsamen Feuers wurden die Öfen wieder entzündet. Dieses Ritual war ein schönes Symbol der Verbundenheit. Beltane steht aber auch für das Wiedererwachen der Natur und ist als Fruchtbarkeitsfestival bekannt.

Auf Calton Hill findet eine modernisierte Version statt, die von der Beltane Fire Society organisiert wird. Der mehr als 100 Meter hohe Hügel am Rand der Innenstadt ist bei Touristen sehr beliebt. Immerhin stehen hier gleich mehrere Sehenswürdigkeiten Seite an Seite. Das alte Observatorium, ein Denkmal für den großen Dichter Robert Burns und etwas, das man wohl eher in Athen vermuten würde: das „National Monument“. Es besteht aus einigen riesigen Säulen, was dem Bauwerk den Spitznamen „Akropolis“ einbrachte. Und Edinburgh die Bezeichnung „Athen des Nordens“. 

Genau bei diesem Bauwerk findet die Eröffnungsfeier statt. Aber dazu etwas später mehr. Beim geduldigem Schlange stehen für das Event kommt man zwangsläufig mit anderen Besuchern ins Gespräch. So erzählt mir ein Mutter-Tochter Gespann aus Chicago, dass sie über Instagram von diesem Festival erfahren hat. Sie haben schon in den USA mehrere solcher Festivals mitgemacht und wollten sehen, wie es in Europa abläuft. Beltane wird überall auf der Welt begangen, nur hat eben jede Feier ihren eigenen Touch.

Queen May mit Gefolge. Die Frau ist in Weiß geschminkt, ihre Gefolgschaft in Blau bzw. Pastelltönen
Die Hauptperson des Abends: Queen May mit Gefolgschaft
Der Green Man sieht etwas aus wie ein Baum
Der Green Man hat seinen großen Auftritt.

Gleich nach dem Eingangsbereich wartet die erste Überraschung: eine abgesperrte runde Fläche mit einem künstlichen Baum in der Mitte. Geduldig stehen die Besucher bis zu 15 Minuten lang Schlange, um dann ein Stückchen Stoff an dem Baum festzubinden. Dazu schlagen zwei Darsteller rhythmisch auf Trommeln. Auf Nachfrage erklärt man mir, dass es sich hier um einen „Wunschbaum“ handelt. „Die Leute übertragen ihre Träume und Wünsche auf den Stoff und binden ihn dann am Baum fest“, erklärt Darstellerin Alexa Seagrave. Der Baum wird am Ende des Festivals verbrannt und alle Wünsche in die Welt entlassen. Damit sie alle in Erfüllung gehen. Was für ein schöner Gedanke.

Es geht los.

Kurz nach Sonnenuntergang war es dann so weit: Die Akteure gehen in Position, die Fackeln werden angezündet und die Trommeln setzen mit dramatischem BUMM BUMM BUMM ein. Unter lautem Gejohle des Publikums wird mit dem Anzünden von verschiedenen Symbolen das Beltane 2025 eröffnet. 

Auch wenn es mein erstes Beltane war, den Dreh hat man schnell raus. Im Idealfall folgt man dem Zug der Darsteller, dann verpasst man keine der zahlreichen Vorstellungen. Zugegeben, einige davon sind, sagen wir mal, etwas gewöhnungsbedürftig. Die wohl spektakulärste Gruppe waren für mich die Feuer Jongleure. Manche werfen die Fackeln alleine, andere arbeiten mit einem Partner. Heiß und gefährlich ist es immer. Die ganz Harten machen sogar Schwertkämpfe mit brennenden Klingen. Das ist kein Kindergeburtstag, da gehts echt zur Sache. 

Definitiv in die Kategorie „etwas eigen“ fällt der Auftritt der „Roten“. Nomen est omen, ja, sie sind rot. Von oben bis unten – und fast nackt. Aber viel verhüllt die knallrote Unterwäsche nicht. Wer sich jetzt fragt, was sie machen: Das Publikum irritieren. Indem sie entweder die Zuschauer anbrüllen oder sich gegenseitig anmotzen. Diese Performance könnte sehr wohl von Louis de Funés inspiriert gewesen sein. Nicht minder speziell sind die Katzendarsteller. Sie schleichen zwischen dem Publikum rum (auf allen vieren!) und agieren wie waschechte Samtpfoten. Mal lassen sie sich streicheln, manchmal fauchen sie oder versuchen sogar zu kratzen. 

Die Roten sind rot angemalte Menschen, die oft mit dem Publikum interagieren. Es sind Hauptdarsteller auf dem Beltane Festival
Die Roten könnte man als "Troublemaker" beim Beltane ansehen.

Während ich also mithilfe der mitgebrachten Taschenlampe versuche, Steinen und Wurzeln auszuweichen, während ich dem Zug folgte, bemerke ich mehrere ältere 60+ Besucher. Denn trotz des anstrengenden Aufstiegs auf den Calton Hill haben sich auch einige reifere Leute hier eingefunden. Das Festival ist nicht nur vom Alter her bunt gemischt. Auf dem Hügel teilen sich Gepiercte und Tätowierte den Platz mit Trägern von Kreuzen und traditionellen Schottenröcken. Akzeptanz und nicht nur Toleranz ist hier die Devise und das klappt sehr gut.

Kurz vor Mitternacht nähert man sich dem Höhepunkt in Edinburgh. Eine kleine, quadratische Bühne ist gegenüber der „Akropolis“ aufgebaut. Der Zug wird angeführt von Queen May mit den „Blauen“, die man fast als ihre Bodyguards bezeichnen kann. Im Anschluss kommen viele Trommler, die „Roten“, der Green Man und eine Reihe von Füchsen gemeinsam mit anderen Darstellern. Vor dem National Monument kommt es zum Showdown: Queen May und der Green Man teilen sich die Bühne und erinnern mit ihrer Performance ein wenig an „Harry und Sally“: Sie scheinen nicht miteinander zu können, aber schon gar nicht ohne einander. Schließlich ist es so weit: Ein großer Feuerball erleuchtet die Bühne und zeigt an: Queen May und der Green Man haben sich geeinigt (und vereinigt) und der Sommer kann endlich beginnen.

Quellen und Credits:

Beltane.org 

Gespräch mit Darstellern am 30.04.2025 in Edinburgh

Celtic Mythology

pagangrimoire 

Auf den Fotos zu sehen von links nach rechts:

Sylvia Edwards, Alexa Seagrave / Shannon Elizabeth McGregor / Erik Achrén, Maria Achrén, D und Lucy Ketchum / Teodora Seredan, Claudia Stanescu / Barry Neeson / Léna, Elena und Rosemarie

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