Also sprach Zarathustra.. Diesen Ausspruch haben wir alle schon gehört. Der Prophet gründete eine der ältesten Religion der Welt. Die Glaubenssätze „Gute Gedanken, gute Worte, gute Taten“ sind schön, wenn da nicht die eher unorthodoxen Bestattungsriten der Parsen wären.
Nach einer anstrengenden Überfahrt waren die Anhänger des Propheten Zarathustra froh, endlich auf Land zu treffen. Unmittelbar nachdem sie an der westindischen Küste die Anker gesetzt hatten, kam auch schon ein Botschafter, um sie zu begrüßen. Er hatte eine mit Milch gefüllten Tonkrug dabei. Was zuerst wie eine nette Geste wirkte, stellte sich bald als das genaue Gegenteil heraus: Die Milch sollte als Wegzehrung für die Weiterfahrt dienen. Oder anders gesagt: Ihr seid hier nicht willkommen.
Das indische Kastensystem ließ keinen Platz für fremde Religionen. Der Legende nach hat ein älterer Flüchtling mit einem Beispiel die Vorteile für das indische Volk verdeutlicht. Er trat vor den Botschaften und gab einen Löffel Zucker in den Milchkrug. Nachdem er umgerührt hatte, fragte er den indischen Gesandten: „Könnt ihr den Zucker in der Milch sehen?“ Nachdem dieser etwas verwirrt den Kopf geschüttelt hatte, erklärte es ihm der Alte. Der Zucker hat sich in der Milch aufgelöst und diese noch verbessert. Genau so würden die Zoroastrier in der indischen Gesellschaft leben. Unauffällig, aber eine Bereicherung.
Drei Werte bilden den Kern des Glaubens.
Die Basis der Religion der Zoroastrier, in Indien besser als Parsen bekannt, ist in den alten Schriften verankert. Man kann sie auf drei Kernglaubenssätze reduzieren: Gute Gedanken, gute Worte und gute Taten. Parsen sollen jeden Tag eine gute Tat vollbringen. Das nehmen die etwa 60.000 indischen Parsen sehr ernst und stiften viel für Wohltätigkeitsvereine. Die Gläubigen sind eher zurückhaltend und sehr vertrauenswürdig. Das zeigte sich schon darin, dass während der Kolonialzeit jede Bank einen parsischen Kassier hatte.
Die Hauptgottheit der Parsen, Ahura Mazda, gilt als Inbegriff des Lichtes und der Weisheit. In der Heiligen Schrift Avesta steht, dass die Gläubigen gemeinsam mit ihm diese Erde beschützen müssen. Parsen sehen das menschliche Dasein als immerwährenden Konflikt zwischen Gut und Böse. Indem sie viel Gutes tun, versuchen sie zu verhindern, dass das Böse die Oberhand gewinnt.
Zarathustra ist der Prophet der aus dem Iran stammenden Religion. Bis heute sind sie die Wissenschaftler jedoch nicht einig, ob er jemals existiert hat. Es könnte sich auch nur um eine mythologische Figur handeln, auf der dieser Glaube basiert.
Die ehemaligen Flüchtlinge haben sich gemacht
Die vor mehr als eintausend Jahren in Indien angekommenen Geflüchteten haben einen guten Platz in der indischen Gesellschaft inne. Die Parsen sind gut gebildet und wirtschaftlich sehr erfolgreich: Einige der größten Unternehmen des Landes sind unter ihrer Führung. Ein weiteres Beispiel für eine erfolgreiche Karriere ist Freddy Mercury. Der Sänger der berühmten Band Queen war praktizierender Parse.
Der Erfolg könnte bis zu einem gewissen Grad auf das Vertrauen zwischen Parsen und den christlichen Kolonialisten zurückgehen. Sie verbrachten viel Zeit miteinander, immerhin konnten die englischen Landherren mit dem Parsen gemeinsam essen und auch feiern. Im Gegensatz zu Muslimen oder Hindus. Es gibt diesbezüglich keine Einschränkungen in den heiligen Schriften der Religionsgemeinschaft. Dies hat ihnen sicher den Weg in die Führungsetagen von einigen britischen Unternehmen vereinfacht.
Und die Geier?
Verstirbt ein Mitglied der Gemeinschaft, wird der Leichnam zu den „Türmen des Schweigens“ gebracht. Zuerst wird der Verstorbene bei der Zeremonie auf dem Boden abgelegt. Anschließend werden von den zwei oder manchmal auch drei anwesenden Priestern Slokas gesungen. Dabei handelt es sind um heilige Verse. Sie sollen den Übergang über die Činvat-Brücke erleichtern. Hier werden die Seelen gerichtet. Sie werden mittels einer Helferin der Unterwelt und zwei Hunden aufgeteilt: Entweder werden sie von den Hunden in den Tiefen der Unterwelt gezerrt oder sie werden für all die guten Taten auf Erden belohnt.
Nach Ende des Rituals ziehen sich alle zurück und der Leichnam wird dem natürlichen Lauf der Natur überlassen. Wichtig ist, dass die Elemente der Schöpfung (Luft, Feuer, Erde und Wasser) nicht verunreinigt werden dürfen. Daher sind Erd- oder Feuerbestattungen keine Option. Die „Arbeit“ wird dann von Geiern oder anderen Raubvögeln erledigt. Das ist die letzte gute Tat der Parsen. Wenn die Seele den Körper verlässt, dient dieser als Nahrung für Kreaturen, die oft missachtet oder abgelehnt werden.
Diese Himmelsbestattungen sind im Iran bereits seit den 1970er Jahren aus Hygienegründen verboten, werden sie in Ländern wir Indien nach wie vor praktiziert. Während die Verstorbenen im Iran in Betongräbern liegen, werden in Mumbai die nackten Leichen der Parsen auf hohe Türme gelegt, wo sie Raubvögeln als Nahrungsquelle dienen. Sie befinden sich in der indischen Millionenmetropole direkt in der Stadt, inmitten der „Hängenden Gärten“ von Malarbar Hill. Da die Vögel immer wieder Leichenteile im Flug verlieren, gibt es auch hier bereits hitzige Diskussionen über den Fortbestand dieser religösen Riten.

Quellle:
https://www.deutschlandfunk.de/vom-leben-und-verschwinden-der-parsen-also-starb-zarathustra-100.html
Fritz Wolff: Avesta. Die heiligen Bücher der Parsen. Straßburg 1910, S. 430–431,
Mahmoud Rashad: Iran. DuMont Reiseverlag, 1998, S. 32
Fotorechte: Ingrid Müller
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