Neale Hoerle praktiziert seit Jahrzehnten Brazilian Jiu Jitsu (BJJ) und arbeitete jahrelang als Trainer in seinem eigenen Studio in Las Vegas. In einem Interview verrät er mehr über seine Leidenschaft für diesen Sport.
Warum sollte man BJJ machen, was sind die Vorteile?
Der soziale Faktor: Viele Menschen existieren außerhalb der Arbeit oder ihrer Beziehungen zu Hause nicht. Brazilian Jiu Jitsu eröffnet die Möglichkeit, eine neue Kultur zu erleben oder eine Familie zu finden, in die Sie eintauchen können. Und die Ihnen auch Freunde beschert. Diese wertvollen Erfahrungen und Vorteile werden Ihnen für den Rest Ihres Lebens bleiben.
Außerdem wird die Körperkraft ganzheitlich verbessert, das Training wirkt sich positiv auf die Herz-Kreislauf-Gesundheit aus und Sie verlieren obendrein noch überflüssige Kilos.
Die Vorteile für die psychische Gesundheit sollten ebenfalls nicht unterschätzt werden. Es gibt unzählige Beispiele dafür, wie BJJ Menschen mit posttraumatischer Belastungsstörung, Angstzuständen und mehr hilft. Ich selbst litt früher unter einer Angststörung. Jiu Jitsu hilft mir, mich zu „erden“. Ich weiß ehrlich gesagt nicht, was ohne BJJ aus mir geworden wäre.
Bei dieser Sportart lernt man neben Respekt und Disziplin im Training auch noch seinen Kopf zu benutzen. Jiu Jitsu kann man mit „menschlichem Schach“ vergleichen. Hier geht es nicht darum, die stärkste oder athletischste Person im Raum zu sein. BJJ ist äußerst strategisch, die Sportler bevorzugen die Wirkung von Hebeln und Winkeln gegenüber der Anwendung von roher Gewalt und Kraft.
Ist es für Kinder geeignet?
Absolut! Neben den oben genannten Vorteilen möchte ich noch ein paar Punkte hinzuzufügen: BJJ kann bei der Entwicklung des Gleichgewichts, der Geschicklichkeit und der Hand-Augen-Koordination helfen. Und vergessen Sie nicht: Die Kleinen sind in Sicherheit! Wir bringen ihnen schon sehr früh bei, wie wichtig das „Tappen“ ist. Wir betonen, dass es über allem steht, die Trainingspartner vor Schaden zu schützen.
Für mich persönlich ist es vor allem ein großer Vorteil, dass Kinder lernen, wie man verliert. In so vielen verschiedenen Sportarten gibt es mittlerweile Teilnahmeurkunden und Trophäen. Unsere Gesellschaft scheut sich davor, Kindern das Gefühl des Verlierens zu vermitteln. Wir BJJ Trainer lehren, dass das Unterliegen im Wettkampf sogar Chancen beinhaltet. So kann man aus den Fehlern lernen. Die Kinder, die im Kampf verloren haben, erfahren, dass sie nicht weniger wert sind als die Person, die sie geschlagen hat! Wir helfen ihnen zu verstehen, dass Verluste ein Teil des Lebens sind und man dadurch auch wachsen kann. Das ist selbstverständlich zunächst schwierig und schmerzhaft, aber ich bin der Ansicht, dass Jiu-Jitsu-Kinder durch diesen Prozess bessere Erwachsene werden.
Wie sieht es mit der Verletzungsgefahr aus?
Wie bei jedem Kontaktsport sind Verletzungen nicht ausgeschlossen. Vergleicht man BJJ jedoch mit Sportarten wie (American) Football, Basketball, Boxen usw. dann werden Sie etwas Interessantes feststellen. Es kommt beim BJJ zu deutlich weniger schweren Sportverletzungen wie Gehirnerschütterungen, Kreuzbandverletzungen (ACL, MCL usw.) als bei den vorher genannten Kontaktsportarten.
Letztendlich glaube ich, dass dies an einer ganz besonderen Komponente unseres Trainingsstils liegt. Während des Wettkampfs und Trainings müssen BJJ-Teilnehmer in der Lage sein, die Aktion durch „Tappen“ sofort zu stoppen. Diese einzigartige Methode ermöglicht es, in einem sehr intensiven oder forderndem Tempo zu trainieren und gleichzeitig das Auftreten schwerer Verletzungen drastisch zu reduzieren. Der Respekt vor dem „Tappen“ und der Stolz darauf, die Sicherheit der Trainingspartner zu gewährleisten, sind Dinge, die wir beim BJJ sehr ernst nehmen!
Welchen Gürtel haben Sie und wie lange hat es gedauert, ihn zu bekommen?
Ich trage derzeit einen schwarzen Gürtel zweiten Grades im brasilianischen Jiu Jitsu. Diesen Rang habe ich mir nach etwa 23 Jahren erworben. Das ist eine länge Zeitspanne als bei den meisten Menschen (durchschnittlich 10–15 Jahre).
Der Grund dafür ist, dass ich etwa sechs Jahre meines Lebens kein Jiu-Jitsu trainiert habe. Ich war mit meiner Karriere und meiner Familie beschäftigt. Jeder Streifen auf meinem schwarzen Gürtel repräsentiert drei Jahre. Ich habe zwei, also trage ich jetzt seit mehr als sechs Jahren einen schwarzen Gürtel.
Das ist eine lange Zeit. Lohnt sich denn die ganze Mühe?
Dieses Sprichwort aus Brasilien sagt so einiges über die Mentalität des Sportes aus: „Vem tranquilo. Afoba não!“ Es bedeutet in etwa „Langsamer Fortschritt – keine Sorge“.
Leute, die BJJ praktizieren, gehören meiner Meinung nach zu den besonnensten, zielstrebigsten, ehrlichsten, zuverlässigsten und gewissenhaftesten Menschen auf diesem Planeten!
Ist das, was wir tun, einfach? Absolut nicht – aber wie wir wissen, ist nichts im Leben, das sich zu haben lohnt, leicht zu bekommen. Ist es die Reise wert? Absolut.
Vielen Dank für die Zeit!
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Credits:
Titelbild wurde von Neale Hoerle zur Verfügung gestellt.
*Interview wurde sinngemäß aus dem Englischen übersetzt.
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