Was haben Keanu Reeves, Mark Zuckerberg, Seriendarsteller Ed O´Neill und Imagine Dragons Sänger Dan Reynolds gemeinsam? Ihre Leidenschaft für Brazilian Jiu Jitsu (BJJ). Was ist das genau und warum wird der Sport auch hierzulande immer beliebter?
Oss! Hört man einen Mann im Kimono rufen. Er steht in einem großen, mit Matten ausgelegten Raum. Kurz darauf versuchen sich seine Schüler gegenseitig mit den unterschiedlichsten Methoden zu Boden zu bringen. Haben sie das geschafft, besteht die nächste Aufgabe darin, den Gegner dort unten zu halten. Das hört sich relativ einfach an, ist aber durchaus eine Herausforderung.
BJJ zählt zu den sanften Sportarten im Bereich von Mixed Martial Arts (MMA). Darunter versteht man Karate, Taekwondo und das als Thai-Boxen bekannte Muay Thai. Die Wurzeln von BJJ liegen im japanischen Kodokan-Judo, das von Einwanderern nach Brasilien gebracht wurde. Dort wurde es abgewandelt und Brazilian Jiu Jitsu war geboren.
In der in Brasilien verwendeten Variante geht es um das Bestehen bei Straßenkämpfen. Tritte und Schläge von Kontrahenten müssen abgewehrt werden. Anders ist das an den meisten BJJ Schulen weltweit: Hier wird eine wettkampforientierte Methode gelehrt. Es geht weniger um Schläge als vielmehr um Grappling, eine Technik, die ans Ringen erinnert.
Die Vorteile von BJJ
Neben der Stärkung des Herz-Kreislaufsystems beeinflusst der Sport auch die psychische Gesundheit positiv. „Es gibt unzählige Beispiele dafür, wie BJJ Menschen mit posttraumatischer Belastungsstörung, Angstzuständen und anderen Problemen hilft. Ich selbst litt früher unter Panikattacken“, sagt Trainer Neale Hoerle. Jiu Jitsu half ihm, sich zu „erden“. „Ich weiß ehrlich gesagt nicht, was aus meinem Leben ohne diesen Sport geworden wäre“, sagt der Besitzer des Schwarzen Gürtels (2. Grades) aus Las Vegas dazu.
Neale Hoerle bei einem Brazilian Jiu Jitsu Wettkampf (1998 Tri-State Grappling Championships)
Das Ziel beim BJJ: Den Gegner zum "Tappen" zu bringen.
Der Ablauf beim Brazilian Jiu Jitsu lässt sich in einige wenige Schritten zusammenfassen: Im Wettbewerb und auch im normalen Training (Sparring) muss der Gegner auf die Matte befördert werden (Takedowns). Er darf dabei in keine gute Kampfposition zu kommen (Guard Pull & Guard Pass, Sweeps). Der Kontrahent soll aufgeben und dafür mit der flachen Hand auf den Boden schlagen (tappen).
Um das zu erreichen, wendet man verschiedenste Techniken (Würge- und Hebeltechniken) an. Es ist auch wichtig, nicht auf die eigene Verteidigung zu vergessen (Recovery and Defense). Ein guter BJJ Sportler ist sehr flexibel und passt seine Taktik immer wieder an die Strategie des Kontrahenten an.
Beim BJJ ist nicht nur körperliche Koordination gefragt, man muss auch mit dem Kopf ganz bei der Sache sein.
Wenn man bei einem Jiu-Jitsu-Wettkampf teilnimmt, möchte man auch gewinnen. Dazu benötigt man genügend Punkte. Die bekommt man zum Beispiel, indem man den Gegner zum „Tappen“ bringt. Ist der Kontrahent zäher als gedacht, kann man auch durch gute technische Ausführung punkten – und dadurch gewinnen.
BJJ ist auch für Kinder geeignet.
Der Gegner wird durch Würgen und Hebeltechniken zum Aufgeben gezwungen. Das hört sich brutal an. Dennoch ist dieser Sport auch für die Kleinen geeignet. „Es kann zu einem besseren Gleichgewichtssinn führen, die Geschicklichkeit und die Hand-Augen-Koordination können verbessert werden“, erläutert Hoerle. Disziplin und Respekt würden auch im Unterricht gelehrt. „Und denken Sie daran … die Kinder sind in einem geschützen Umfeld.“
Der Ex-BJJ Trainer von Imagine Dragons Sänger Dan Reynolds ist überzeugt von den Vorteilen des Sports für Kinder. „Wir bringen ihnen schon sehr früh bei, wie wichtig das „Tappen“ ist, um den Trainingspartner vor möglichen Schäden zu schützen. Neben den körperlichen Vorteilen, zu denen auch Gewichtsreduktion gehört, sieht Hoerle noch einen weiteren positiven Aspekt „Für mich ist es vor allem ein großer Vorteil, dass Kinder lernen, wie man verliert“. Auch der Umgang mit Enttäuschungen gehört sozusagen zum Trainingsprogramm dazu.
Sicherheit ist an oberster Stelle
Wie bei allen Sportarten besteht auch beim BJJ ein Verletzungsrisiko. Gibt ein Sportler durch den „Tap“ auf, wird der Kampf sofort beendet. Die Sicherheit des Trainingspartners steht an oberster Stelle. „Im Vergleich zu anderen Kontaktsportarten wie Basketball oder Boxen kommen Verletzungen wie Gehirnerschütterung, Probleme mit den Gelenken oder ähnliches deutlich seltener vor“, sagt Hoerle, der jahrelang ein eigenes Studio geleitet hat.
Wettkampf gewonnen = nächster Gürtel?
Wie beim Judo und bei anderen Sportarten wird Erfahrung und Können durch unterschiedliche Farben des Gürtels ausgedrückt. Anfänger steigen mit einem weißen Gürtel ein und können sich dann bis zum Roten steigern.
Ein gewonnenes Turnier führt allerdings nicht gleich zu einem höheren Gürtel. Wer würdig ist, in den nächsthöheren Rang aufzusteigen, entscheidet ausschließlich der Trainer. „Man berücksichtigt dabei sowohl das Alter, die Motivation, die Anwesenheit beim Training und wie er sich dort verhält.
Aber auch die Disziplin und Moral des Anwärters spielen eine große Rolle“, sagt der 23-jährige gebürtige Brasilianer Kastinger dazu. Auf diese Weise wird die hohe Qualität des BJJ sichergestellt. Laut der IBJJF (dem International Brazilian Jiu Jitsu Foundation) sind mit Ende September 2024 nur ganze fünf Personen dort registriert, die den roten Gürtel (höchster Grad) erreicht haben. Wobei gesagt werden muss, dass man diesen erst nach 48 Jahren als Träger des Schwarzen Gürtels erhalten kann.
Es ist ein Jahrzehnte dauernder Weg, um zu einem schwarzen oder sogar roten Gürtel zu kommen. Ist es den Aufwand wert? Hoerle gibt dazu eine eindeutige Antwort: „Ist das, was wir tun, einfach? Absolut nicht – aber wie wir wissen, ist nichts im Leben, das sich lohnt, leicht zu bekommen. Lohnt sich die Reise? Definitiv.“
Ein ausführlicheres Interview mit Neale Hoerle finden Sie hier: Interview mit BJJ Trainer Neale Hoerle
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Quellen:
SOJJ Academy (https://sojj.at › bjj)
Gracie University (https://www.gracieuniversity.com/)
International Brazilian Jiu Jitsu Foundation (https://ibjjf.com/)
Interviews mit Neale Hoerle und Lucas Kastinger
Photocredits:
Titelbild: Pixels.com (Stockimage)
Porträtfoto Herr Kastinger: Ingrid Müller
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