„Und jetzt fahren wir wieder ins Pflegeheim“ sagt Sanitäter Jakob Simharl beiläufig. Die Frau sieht ihn verwirrt an. Nein, sie will einfach nur nach Hause, erklärt sie ihm. Nicht ins Pflegeheim. „Wir bringen Sie dahin, wo wir Sie abgeholt haben“ versucht der Zivildiener Tobias Senzenberger die Situation zu entschärfen. Damit gibt sich die ältere Dame dann zufrieden. Die beiden Rettungssanitäter bringen die etwas verwirrt wirkende Frau zum Rettungswagen und fahren sie nach Hause. Ins Pflegeheim.
Solche und ähnliche Situationen gibt es ziemlich oft. Obwohl ich nur einen Tag bei der Rettungsstelle im Bezirk Ried im Innkreis verbracht habe, konnte ich zumindest einen kleinen Eindruck gewinnen. Von Menschen, die ihre ganze Energie verwenden um anderen zu helfen. Von Helfern, die Zwölf-Stunden-Schichten haben und sich dann auch noch wegen des Lärms rechtfertigen müssen, wenn sie das Folgetonhorn einschalten.


Mein Dienst, wenn man das so bezeichnen möchte, begann kurz vor sieben Uhr morgens. Mir wurde empfohlen, schon etwas früher da sein, damit ich mich noch umziehen kann. Denn auch wenn ich nur „Mitläufer“ bin, die Dienstuniform muss ich dennoch tragen. Leider habe ich meine Hose zwei Nummern zu groß erwischt (was nicht unbedingt an dem frühen Dienstbeginn gelegen hat). Nach einer kurzen Einweisung über den Ablauf bekam ich meinen eigenen Pager. Keine fünf Minuten darauf ratterte das Gerät auch schon. Der erste Einsatz stand an. Das Umziehen musste noch warten. Spoiler: Ich sollte den ganzen Tag in viel zu großen Klamotten verbringen. Das wusste ich da aber noch nicht.
" ... dann läufst du zum Wagen!"
Jakob*, ein ausgebildeter Notfallrettungssanitäter, erklärt mir noch kurz die beeindruckende Ausstattung des Rettungswagens und dann ging es schon los. Eine Transportfahrt stand an. „Wenn dein Pager das [Transport] anzeigt und klingelt, treffen wir uns am Rettungswagen“, hab ich noch im Ohr, als wir Richtung Pflegeheim Ried fahren „Macht er ein anderes Geräusch und es steht „Notfall“ im Display, dann LÄUFST Du zum Wagen. Dann haben wir einen Notfalleinsatz. Da kann es um Leben und Tod gehen“. Jakob wusste, wie man Aufmerksamkeit erregt.


Für schwere Fälle gibt es auch einen Notarzt, der die Rettung begleitet. Ob er angefordert wird, hängt von der Meldung ab, die in der Leitstelle abgegeben wird. In der Leitstelle sitzen ausgebildete Rettungssanitäter am Telefon und koordinieren alles. Sie weisen die Notfälle den freien Wagen zu, geben auch bei Bedarf im Krankenhaus Bescheid und haben von Anfang bis Ende alles im Blick. Es ist ein stressiger und verantwortungsvoller Job.
Es gibt auch etwas rabiatere Patienten
Genau wie der Rettungsdienst. Nachdem wir Patienten zum Zahnarzt, zu Untersuchungen ins Krankenhaus und zum Augenarzt gebracht haben, können wir uns ein wenig unterhalten. Die Situation mit der älteren Dame lässt mich nicht los. Sie tut mir leid. „Das ist noch mal glimpflich ausgegangen“, erzählt mir Jakob „Da hatten wir auch schon krassere Fälle, mit Kratzen und Beißen“. Auch wenn den beiden Sanitätern bewusst ist, dass es keine Absicht ist – weh tut es trotzdem, wenn man so angegriffen wird.
Um kurz vor elf ist das erste Mal eine kurze Pause drin. Im Aufenthaltsraum tummeln sich einige andere Mitarbeiter. Wie sich herausstellt, bin ich nicht die Einzige, die „reinschnuppert“. Ein schüchtern wirkendes, schwarzhaariges Mädel ist heute auch das erste Mal dabei. Wenn man in Betracht zieht, beim Roten Kreuz mitzumachen, sollte man unbedingt reinschnuppern. Egal, ob man als Zivildiener, Freiwilliger oder vielleicht sogar hauptberuflich den Menschen helfen will. Das ist die beste Möglichkeit, sich vorab einen kleinen Eindruck zu verschaffen.


Meine achte (wenn ich richtig mitgezählt habe) Fahrt mit dem Rettungswagen war am späten Nachmittag. Es ging zu einer Dame, die mit Atemproblemen zu kämpfen hatte. Notfallsanitäter Jakob fragte genau nach dem Verlauf der Krankheit und auch welche Medikamente genommen wurden. All diese Daten, zusammen mit den Messwerten aus dem Krankenwagen, gab er bei der Anmeldung der Patientin ans Krankenhaus weiter. Nachdem wir die Dame in die Obhut der Ärzte und Krankenschwestern übergeben hatte, ging es wieder zurück „nach Hause“.
Feierabend
Wie sich herausstellte, war diese Fahrt meine letzte in dieser zwölfstündigen Schicht. Um sieben Uhr abends wurden die Wagen nochmals durchgecheckt, der Zentrale Bescheid gegeben und schließlich die Funkgeräte in die Ladestationen gesteckt. Feierabend für die Tagschicht.
Bei meinem Dienst auf Rettungswagen 04/0815 gab es keinen spektakulären Notfall. Keine Fahrt mit quietschenden Reifen, heulenden Sirenen. Trotzdem war es ein äußerst spannender Einblick in eine für mich fremde Welt. Und endlich, um fast halb acht Uhr abends, schlüpfte ich wieder in meine gut sitzenden Zivilklamotten.
*Beim Roten Kreuz gibt es kein „Sie“ wie mir erklärt wurde.
Natürlich hatte ich viele Fragen, die mir die Mitarbeiter geduldig beantwortet haben. Hier gehts zum aufschlussreichen Interview…..
Lust bekommen, auch einen Tag bei der Rettung zu verbringen?
Bilderrechte: Alle Fotos wurden mit freundlicher Genehmigung der Rettungswache Ried im Innkreis (Rotes Kreuz) von Ingrid Müller gemacht.
Dies ist eine Schilderung meiner Erlebnisse beim Schnuppertag am 21. Oktober 2024.
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