Ich hatte einen Tag die Gelegenheit, zwei Sanitäter bei ihrer Arbeit zu begleiten. Notfallsanitäter und Co-Stellvertreter des Dienstführenden der Rettungswache Ried im Innkreis Jakob Simharl (26 Jahre aus Neuhofen) Zivildiener und Rettungssanitäter Tobias Senzenberger (23 Jahre aus Eberschwang) und die Leiterin des Bezirkssekretariats Lisa Nagl (29 Jahre aus Mettmach) haben mir viele Fragen beantwortet.
Was waren die Gründe, als Sanitäter beim Roten Kreuz anzufangen?
Senzenberger: Ich bin seit ersten Juli diesen Jahres als Zivildiener dabei. Ich wollte etwas Sinnvolles machen, das einem persönlich auch was bringt. Ich könnte mir nichts besseres vorstellen.
Simharl: Eine ähnliche Meinung hatte ich damals auch, als ich 2018 als Zivildiener dazu gekommen bin. Ich bilde mich auch fort, um Notfallsituationen im Griff zu haben.
Nagl: Im Sommer 2020 hab ich die Ausbildung mittels Sommerkurs gemacht. Ich wollte sicherstellen, dass ich helfen kann, wenn etwas passiert. Ich wollte nicht nur daneben stehen.
Rettung und Rotes Kreuz ist doch dasselbe ...?!
Gibt es einen Unterschied zwischen Rettung und Rotes Kreuz?
Nagl: Wir sind das Rote Kreuz und der Rettungsdienst ist ein Leistungsbereich von uns.
Wenn die 144 anruft, was passiert dann?
Simharl: Bei Anruf kommt man erst in die Leitstelle. Der Mitarbeiter holt alle relevanten Informationen ein und sucht dann nach dem nächstgelegenen freien Rettungsmittel. Daraufhin bekommen wir eine Nachricht auf den Pager und fahren los.
Vor Ort machen wir eine erste Beurteilung der Lage. So stellt sich oft erst beim Einsatz heraus, ob wir das selbst handhaben können oder doch einen Notarzt brauchen. War jedoch schon beim Gespräch mit der Leitstelle klar, dass ein Notarzt gebraucht wird, dann wurde er gleich mit angefordert. Allerdings können die Schilderungen der Situation durch den Anrufer auch irreführend sein. In solchen Fällen kann es passieren, dass wir einen Arzt nachfordern müssen. Dann bringen wir den Patienten ins Krankenhaus. Nach der Übergabe an die Ärzte fahren wir zurück zur Dienststelle und bereiten den Wagen für den nächsten Einsatz vor.
Ein Notarzt ist also nur dabei, wenn die Leitstelle das aufgrund der Angaben des Anrufers für nötig hält?
Simharl: Genau. Dann wird gleich ein Arzt mitgenommen. Das NEF (Notarzt Einsatz Fahrzeug) ist auf der Dienststelle stationiert. Der Arzt wird im Krankenhaus abgeholt.
Ist das immer ein bestimmter Arzt?
Simharl: In Ried machen das die Anästhesisten, die Diensteinteilung erfolgt vom Krankenhaus.
Wir versuchen die Patienten zu beruhigen.
Wenn man mit Leuten zu tun hat, bleiben gewisse Vorkommnisse nicht aus. Was ist bereits alles passiert?
Senzenberger: Wir wurden schon gekratzt, gebissen und auch geschlagen. Das hatten wir alles. Allerdings ist es keine Boshaftigkeit, sie wissen es nicht besser.
Was macht man in so einem Fall?
Simharl: Wir versuchen die Patienten zu beruhigen. Wenn das nichts bringt, kommt die Polizei. Es kommt aber sehr selten vor. Die meisten Vorkommnisse dieser Art sind wegen psychischer Erkrankungen.
Wenn der Pager einmal keinen Einsatz anzeigt, was steht dann auf dem Plan?
Senzenberger: Auto waschen, die Dienststelle sauber machen, Einsatzprotokolle nach erfassen, die Dienstplangestaltung, Rettungswagen wieder nachfüllen.
Simharl: Und versuchen, Freiwillige für Nacht und Wochenenddienste zu bekommen.


Zwölf Stunden am Stück ...
Apropos Dienstplan. Wie sieht der aus?
Senzenberger: Wir haben eine Viertagewoche mit jeweils 12 Stunden Schichten. Also 48 Wochenstunden.
Simharl: Am Wochenende haben wir prinzipiell keine Zivildiener oder berufliche Rettungssanitäter wir versuchen dies mit Ehrenamtlichen abzudecken. In Ausnahmefällen kann es vorkommen, dass der Zivi auch ran muss wenn z. B.. Festivals wie Woodstock (Anm. Festival der Blasmusik) anstehen.
Wie läuft es ab, wenn jemand sich entschließt, seinen Zivildienst hier zu machen?
Simharl: Er muss die gleiche Ausbildung machen wie jeder andere, der bei uns arbeitet: die Rettungssanitäterausbildung. Diese umfasst 100 Stunden Theorie und 160 Stunden Praktikum, bei der er als Dritter mitfährt. Das ist gesetzlich geregelt. Rückt er beispielsweise mit 1 Jänner ein, hat er erst ein Monat Theorie, dann ein Monat Praktikum. Nach bestandener Abschlussprüfung fährt er dann als Sanitäter mit.
Bei Freiwilligen ist es das Gleiche?
Simharl: Wir bieten ihnen drei Kurse an. Dreiwöchige, gestaffelte Sommerkurse, im Herbst sind es Abendkurse und im Frühjahr findet der Kurs jedes 2 Wochenende statt. Auch hier muss natürlich eine praktische Ausbildung gemacht werden. Die Abschlussprüfung beendet die Sanitäterausbildung.
Nur mit B-Schein darf man kein Rettungsfahrzeug führen.
Braucht man einen speziellen Führerschein, um mit dem Rettungswagen fahren zu dürfen?
Senzenberger: Es gibt eine Lenkerausbildung beim Roten Kreuz. Erst muss die Sanitäterausbildung abgeschlossen sein. 288 Stunden muss man als Transportführer haben und dann kann man die Lenkerprüfung machen. Voraussetzung ist natürlich, dass man einen B-Führerschein hat.
Funktioniert denn die Rettungsgasse auf der Autobahn inzwischen?
Simharl: Sie funktioniert auf zweispurigen Autobahnen gut, auf der dreispurigen jedoch nicht. Wenn wir Richtung Linz fahren, dann müssen wir bei der dreispurigen Autobahn schon mal Schlangenlinien fahren. Wenn man zu einem Unfall fährt, hat man schon ein wenig Angst, dass nicht einfach ein Fahrzeug aus der Gasse rausfährt und mit dem Rettungswagen zusammenkracht.
Wie sind die Reaktionen, wenn ein Rettungswagen mit Blaulicht hinter einem Auto fährt?
Senzenberger: Manche reagieren sehr heftig und bremsen schlagartig. Es kommt auch vor dass Leute in den Kreisverkehr reinfahren statt vor dem Kreisverkehr stehen zu bleiben und uns vorbei zu lassen. Dann wäre es besser, wenn er die nächste Ausfahrt rausfährt oder eine Runde dreht. Aber bitte nicht stehen bleiben.
Simharl: Einige Verkehrsteilnehmer werden in einer unübersichtlichen Kurve langsamer. Es gibt aber auch viele, die es gut machen. Dann bedanke ich mich auch. Manche Fahrer bekommen vielleicht Panik. Die beste Reaktion wäre, den rechten Blinker zu setzen, langsamer zu werden, eine Ausweiche zu suchen.
Nagl: Es ist auch öfter der Notarzt hinter uns oder eine andere Rettung. Also bitte nach hinten sehen, ob nicht noch etwas nachkommt.

Gibt es bestimmte Voraussetzungen, wenn die Sirene eingeschaltet werden darf?
Simharl: Das Folgetonhorn wird je nach Einschätzung des Leitstellendisponenten eingesetzt. Es steht dann bei uns „Blaulicht“ auf dem Display des Pagers.
Auch wenn das Folgetonhorn eingeschaltet ist, so kann aber durchaus auch zu einem Zusammenstoß kommen …
Simharl: Dann hat unsere Werkstatt ein Reservefahrzeug.
Rettungswagen sind oberösterreichweit gleich ausgestattet.
Die Rettungswagen der gleichen Größe sind alle gleich ausgestattet?
Nagl: Die Grundausstattung ist oberösterreichweit gleich.
Senzenberger: Es ist auch vorgeschrieben, wo was eingeräumt sein muss. Das ist auch oberösterreichweit identisch.
Simharl: Was ich noch ergänzen möchte: Wir fahren den ganzen Tag im Auto mit der Nummer 0815. Bei einem Großereignis ist das nicht mehr unser Auto. Jeder macht seinen Job und bei der Fahrt ins nächstgelegene Krankenhaus wird dann das erstbeste Auto genommen. Dabei ist es egal, ob es das Auto aus Braunau oder Schärding ist.


Muss immer das nächstgelegene Krankenhaus angefahren werden? Oder hat der Patient ein Mitspracherecht?
Senzenberger: Wenn der Patient unbedingt in ein anderes, weiter entferntes Krankenhaus will, muss er ein Selbstzahlerformular unterschreiben. Er muss dann die Mehrkilometer selbst zahlen.
Simharl: Ich muss dazu sagen, dass das nächstgelegene Krankenhaus nicht unbedingt das Geeignete sein muss. Mit einem Herzinfarkt fährt man zum Beispiel gleich nach Wels.
Bei einer so großen Organisation gibt es sicher auch eine Hierarchie?
Simharl: Ohne dem ginge es nicht. Aber unter einander sind wir auf Augenhöhe. Beim Roten Kreuz gibt es kein „Sie“, auch der Landesgeschäftsstellenleiter wird mit „Du“ angesprochen.
Senzenberger: Dazu habe ich ein gutes Beispiel: Wir sind zu einem Einsatz gefahren und mussten uns einen Notarzt mit dazu holen. Er kam und ein Kollege von mir sagt zu ihm „Herr Doktor, wie geht denn jetzt weiter?“ Daraufhin sagt er „Ich bin nicht der Herr Doktor, ich bin der Augustin“. Ja, passt, ich bin der Markus. Uns ist bewusst, dass er das Sagen hat. Immerhin hat er die höchste medizinische Ausbildung, aber das lässt keiner raushängen.
Der Rettungsdienst wird von Gemeinde/Land finanziert. Es gibt aber auch immer wieder Spendenveranstaltungen. Wofür werden diese Gelder verwendet?
Nagl: Die Rettung an sich ist öffentlich finanziert, aber wir brauchen Spenden für die Nebenbereiche wie den Besuchsdienst, das Jugendrotkreuz und das Hospiz mit den freiwilligen Mitarbeitern. Um uns zu unterstützen kann man z. B. Mitgliedschaften abschließen. Einmal im Jahr gibt es den Rotkreuz Flohmarkt und die Kranzspenden helfen uns auch sehr. (Anm.: dabei bittet die Familie eines Verstorbenen von Blumenspenden abzusehen und statt dessen das Rote Kreuz zu unterstützen).
Nach diesem sehr informativen Interview hatte ich auch noch Gelegenheit, der Leiterin der Rettungsleitstelle Innviertel, Frau Manuela Gurtner, einige Fragen zu stellen.
Frau Gurtner, wie kommt man zu diesem Job?
Gurtner: Ich habe 2012 mit der Rettungssanitäterausbildung angefangen. In Weiterbildung habe ich die Leitstellenausbildung dazu gemacht. Seit 2019 bin ich in der Leitstelle und seit April 2023 die Leiterin der Rettungsleitstelle Innviertel.
Das scheint mir ein fordernder Beruf zu sein …
Gurtner: Sehr fordernd. Man braucht viel Know-how da wir hier der Dreh- und Angelpunkt sind. Wir haben viele Anfragen, nicht nur den Rettungsdienst betreffend. Es werden auch Auskünfte über die Gesundheits- und Sozialdienste (Rufhilfebereitschaft, Essen auf Rädern,..) erbeten. Wir sind oftmals die erste Anlaufstelle.
Während COVID wurde die 1450 bekannt. Die Hotline gibt es aber schon länger. Sie sollte bei nicht lebensbedrohlichen Gesundheitsfragen angerufen werden. Wenn man jetzt die 1450 wählt, wo kommt man da raus?
Gurtner: Wenn man von Telefonaten aus Oberösterreich spricht, dann kommt man primär in die Zentrale nach Linz. Kann jedoch die telefonische Anfrage nicht innerhalb einer bestimmten Zeit bearbeitet werden, dann wird der Anruf an die Rettungsleitstelle weitergeleitet. Es kann also passieren, dass auch wir in einer Rettungsleitstelle die 1450 beantworten. Wir nehmen die ersten Informationen auf und geben diese Info weiter an die dipl. Pflegekräfte der Nummer 1450. Sie rufen die Leute dann zurück und führen das Beratungsgespräch.
Vielen Dank für die umfangreiche Auskunft!
Bilderrechte: alle Bilder wurden aufgenommen von Ingrid Müller mit freundlicher Genehmigung der Bezirksstelle Ried im Innkreis des Roten Kreuzes
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