Am Palmsonntag geht es in Imst hoch her. Im wahrsten Sinne des Wortes. Die gut 11.000 Einwohner zählende Kleinstadt veranstaltet jedes Jahr einen besonderen Wettbewerb. Wer hat die längste Palmlatte?
Die aus Fichtenholz hergestellte Palmlatte besteht aus mehreren Teilen, wobei am obersten Ende ein Haselnusszweig angebracht ist. Die ganze Konstruktion hat eine Länge von mehr als 30 Meter. Dabei ist das Herstellen noch die einfachste Aufgabe.
Sie muss gleich dreimal am Palmsonntag aufgestellt werden und sollte dabei nicht abbrechen. Sollte es doch passieren, dann haben die Teilnehmer die Möglichkeit, den Schaden schnell wieder zu beheben. Gelingt das nicht, kann die Latte zu kurz sein und somit wäre der Wettbewerb verloren. Laut Aussage des gebürtigen Imsters Bernhard Robert kommt das aber nur durchschnittlich alle 4-5 Jahre vor. Er muss es wissen, immerhin ist er schon seit mehr als 30 Jahren mit von der Partie.
Wie läuft es genau ab?
„Die Konstruktion der Latte erfolgt durch das Zusammenfügen und Verschrauben von mehreren Holzteilen mithilfe von Rohrschellen “, erklärt Emil Pergtold, der schon seit 1988 immer mit dabei ist. Für die Stabilität sei entscheidend, dass das Holz des untersten Teils gut getrocknet ist und sich daher nicht biege. Aus diesem Grund wird der unterste dickste Teil der Latte über Jahre hinweg immer wieder verwendet. Nur die oberen Teile werden mit neuem Holz gebaut. Die Zwischenstücke werden aus ästhetischen Gründen mit Weiden umwickelt. Der am obersten Ende angebrachte Haselnusszweig ist ein Symbol für die Verneigung beim Einzug von Jesus von Nazareth. Um bei dem mehr als 40 Jahre alte Brauch von Anfang an dabei zu sein, sollte man Frühaufsteher sein. Die Palmlatte muss nämlich schon um acht Uhr morgens vor der Pfarrkirche aufrecht stehen.
Die ungelenkte Holzstange wird morgens von mehreren Helfern durch die schmalen Gassen Richtung Kirche getragen. Dort wird sie zuerst in der richtigen Position auf dem Boden gelegt. Die Latte wird dann mit Kanthölzern in der Bodenverankerung befestigt und anschließend durch pure Muskelkraft in eine senkrechte Lage befördert. Diese äußerst anstrengende Arbeit darf laut Regelwerk nur von maximal zehn Männern ausgeführt werden. Bei einem Gewicht von etwa 300 Kilogramm ist dabei eine gute Zusammenarbeit und die richtige Technik entscheidend für den Erfolg. Die aufgestellte Latte lehnt nach erfolgreicher Arbeit an einer Eisenkonstruktion, die das Überkippen verhindert.


Nach Ende des Morgengottesdienstes werden die Palmlatten wieder abgebaut. Unter Begleitung der Gläubigen werden zur Pestkapelle getragen und dort nochmals aufgestellt. Klappt das Aufstellen nicht auf Anhieb und die Kraft der Männer lässt nach, dann springen sie schnell zur Seite und die Holzlatte knallt zurück auf den Boden. Das sei bereits einige Male passiert und das Resultat waren Verletzungen wie ein eingeklemmtes Bein, ein in Mitleidenschaft gezogenes Schulterblatt oder Prellungen, erzählt Pergtold. Auch Sachschäden gab es schon. So wurde bereits ein Hausdach und einige Gräber beschädigt. „Wir haben dazu gelernt und es schon relativ sicher gemacht“, meint er dazu. Die nun hoch zum Himmel aufragenden Latten werden bei der Kapelle vom Pfarrer gesegnet – und wieder abgebaut.


Nun geht es mit der Latte und zahlreichen Einwohnern wieder Richtung Kirche. Die Holzstangen werden nebeneinander aufgelegt und vermessen. Das wird traditionell vom Bürgermeister beim Gasthof „Hirschen“ durchgeführt. Aber auch wenn jetzt feststeht, welche Gruppe die längste Holzlatte hat, zum Jubeln ist es definitiv noch zu früh. Erst müssen die Latten ein weiteres Aufstellen vor der Kirche unbeschadet überstehen. Ist das geschafft, steht die Gewinnermannschaft endgültig fest und bekommen – Würstel und die Ehre, für ein Jahr den Titel „Längste Palmlatte“ tragen zu dürfen.


Diese Tradition ist den Einwohner der Kleinstadt sehr wichtig. Im Besonderen legen sie großen Wert darauf, dass auch die Kinder mit einbezogen werden. Laut Bergtold, der schon seit Jugend an mit dabei ist, ist das Aufstellen wie eine Familientradition. Allein in seiner diesjährigen Gruppe waren insgesamt 30 Kinder dabei, die sicher später mit vollem Elan und Ehrgeiz die Tradition weiterführen werden.
Nachtrag: Im Jahr 2025 war die Siegerlänge 35,70 Meter, es gab ein Unentschieden zwischen zwei Teilnehmergruppen. Glücklicherweise ist keine Latte gebrochen.
Nicht nur in Österreich gibt es faszinierende Bräuche und Traditionen. In vielen Regionen dieser Welt lebt man Brauchtum noch aktiv aus. Damit dieses Wissen an die nächste Generation weitergegeben werden kann, habe ich einige davon kindgerecht erklärt.
Erfahren Sie, welchen Ursprung Halloween oder der St. Patricks Day haben, wer Befana und Tonttu sind und was beim Diwalifest gefeiert wird.
Bitte um etwas Geduld beim Seitenaufbau .
Es lohnt sich!
Quellen:
https://bauernzeitung.at/am-palmsonntag-geht-es-in-imst-um-die-wurst/
https://stadtistik.de/oesterreich/tirol-imst-imst-70203/
https://www.imst.at/urlaubserlebnisse/kultur/ostern/faszinierendes-brauchtum
Interview mit Bernhard Robert, Emil Pergtold am 13. April 2025
Copyright Fotos/Video: Ingrid Müller
Add a Comment