„Links, rechts, links, rechts, …“ hallt es noch in meinen Ohren, wenn ich an das Seminar vor wenigen Tagen zurückdenke. Keines, in dem man einfach passiv vor dem Computer sitzt und gelangweilt an einem stundenlangen Zoom Meeting teilnimmt. Nein, hier gab es Action. Mit Überrumpelungstaktiken, Befreiungsgriffen und Tipps für Angriffe auf schmerzempfindliche Körperstellen. Richtig geraten: Ich war in einem Selbstverteidigungsseminar.
Auch wenn ich nie gedacht hätte, dass so etwas einmal nötig sein würde, die aktuellen Zahlen sprechen eine eindeutige Sprache. Jede dritte Frau ist von körperlicher und/oder sexueller Gewalt betroffen, jede Vierte hat schon Erfahrung mit sexueller Belästigung am Arbeitsplatz gemacht. Zum Stand vom 10. Dezember 2024 gab es 27 Tötungsdelikte an Frauen und 41 Fälle von schwerer Gewalt. Jede Frau sollte bei diesen alarmierenden Zahlen aktiv werden.
Was hält Frauen ab, einen Kurs zu machen?
Leider ist das nicht so einfach. Viele Frauen haben Skrupel, sich zu wehren. Aus Angst, dass der Übergriff noch brutaler werden könnte oder weil sie einfach niemanden schlagen möchten. Einige Kursteilnehmer hatten diesbezüglich moralische Bedenken, aber auch rechtliche. „Wie weit darf ich mich wehren, damit ich nicht selbst angeklagt werde?“ War eine Frage, die im zweitägigen Kurs gestellt wurde. Da muss noch einiges an Aufklärungsarbeit geleistet werden.
Die Kursleiterin betonte gleich am Anfang, dass es sich hier nur um einen Schnupperkurs handelte. Es dauert Wochen, wenn nicht Monate, bis die Bewegungen sitzen und im Notfall automatisiert ablaufen. Zum Nachdenken kommt man im Fall eines Angriffes nicht. Schnell kann aus einem harmlosen „Arm um die Schulter legen“ eines vermeintlich Betrunkenen ein Würgegriff werden. Dann muss man schnell raus aus der Situation, bevor einem die Luft wegbleibt und pure Panik aufkommt.
Grundlagenwissen
Wir haben uns also auf die Grundlagen konzentriert, als wir im 14. Stock des Linzer Wissensturm trainiert haben. Neun Frauen unterschiedlichen Alters und Konstitution. Man muss nicht fit wie ein Turnschuh sein, um Angreifern Parole zu bieten. „Lasst den Angreifer nie an euren Hals“, erklärt Kornelia Eibl, Trainerin vom Fit & Fight Center Linz. Erst Angriff abwehren, dann mittels einiger abwechselnder kurzer Schläge auf den Kopf für Verwirrung sorgen und den Gegner mit einem kräftigen „Schubser“ aus dem Gleichgewicht bringen. Falls nötig, ein Tritt gegen das Schienbein und dann schnell weg. Raus aus der Gefahrensituation.
Das hört sich ehrlich gesagt viel einfacher an, als es ist. Es bedarf viel Übung, aber wenn es sitzt, ist es sehr effektiv. Durchaus auch gegen 1,90 Meter große Männer. Man muss sich nur auf die Hinterbeine stellen und Grenzen setzen. Und die dann auch verteidigen. Das ist leider ebenfalls ein Problem. Denn viele Frauen finden Ausreden für ihren gewalttätigen Partner. „Er war betrunken.“ „Er hatte einen schlechten Tag“ „Er hat versprochen, es kommt nie wieder vor“ – Doch, es kommt wieder vor! Es gibt keine Situation, die Gewalt rechtfertigt. Das muss in die Köpfe von vielen Frauen rein.
Ich kann nur jedem empfehlen, einen Selbstverteidigungskurs zu machen. Man lernt viel, es steigert das Selbstvertrauen und man hat Kontakt zu vielen Gleichgesinnten. In der Werbung gibt es eine Aussage, die ich hier gerne zitieren möchte: „Weil ich es mir wert bin“. Jeder sollte es sich wert sein, für sich einzustehen und sich nicht herumschubsen zu lassen.
Verschiedene Anlaufstellen bei Gewalt:
Frauen – Helpline:
Quellenangaben:
https://www.aoef.at/index.php/zahlen-und-daten
Kurs vom Linzer Frauenbüro (6/7. Dezember 2024)
Kornelia Eibl, Trainerin des Fit & Fight Center Linz
Video- und Fotocredits: Fit & Fight Studios in Linz
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